Wilkhahn Japan: Interview mit Showroom-Designer Nobuo Araki

Im vergangenen Jahr verlegte Wilkhahn Japan sein Büro und seinen Showroom nach Akasaka. Im Gegensatz zum vorherigen Showroom bietet der neue lichtdurchflutete offene Raum einen Blick auf den Kaiserpalast und den Shinjuku-Gyoen-Nationalgarten. Wir sprachen mit dem Architekten Nobuo Araki,  The Archetype, über seine Beweggründe für die Gestaltung der neuen Räumlichkeiten.

 

Herr Araki, Sie haben als Architekt seit den 1990er Jahren hauptsächlich Gewerbeflächen in Tokio gestaltet. Haben Sie auch schon einmal Büroräumlichkeiten gestaltet?

Nicht viele, aber ich unterscheide nicht zwischen Designprojekten, da ich bei der Herangehensweise an Büro-, Gewerbe- und Wohnräume und sogar an Produkte wie Möbel immer die gleiche Herangehensweise habe. Ich denke einfach logisch über die optimale Lösung für den Raum in dieser Situation nach. Das liegt mir im Blut, da ich einen Hintergrund in der Stadtplanung habe. 

Eines Ihrer Werke, das medial sehr präsent ist, ist das „YOSHIMOTO KOGYO CO.,LTD. Tokyo head office“.

Die Räumlichkeiten wurden in der ehemaligen Yotsuya Daigo (Nr. 5) Grundschule aus dem Jahr 1934 geschaffen, dem ältesten erhaltenen Grundschulgebäude aus Stahlbeton in Japan. Es wurde von der japanischen Niederlassung von DOCOMOMO, einer internationalen akademischen Organisation, die moderne Architektur dokumentiert und bewahrt, als eines der 100 Gebäude der Moderne in Japan ausgewählt. 

Bei dem Projekt haben wir versucht, substanzielle Veränderungen zu begrenzen, um das Beste aus dem vom Modernismus inspirierten Design zu machen.

Die von mir geschaffenen Räume mögen sich oft „leer“ anfühlen, aber das liegt daran, dass der Raum erst dann vollständig ist, wenn sie mit Menschen und Möbeln gefüllt ist. Ich scherze oft, dass das Interior Design nur etwa 2 % eines Projekts ausmacht. Denn das Wichtigste sind die Menschen – und an zweiter Stelle kommt die Einrichtung, die den Raum ausfüllt. Dafür verwende ich oft Meisterwerke wie den „Seven Chair“ von Fritz Hansen und die FS-Linie von Wilkhahn.

© Teppei Tanimoto

© Teppei Tanimoto

Was macht Wilkhahns FS-Programm in Ihren Augen zu einem Meisterwerk?

Meiner Meinung nach zeichnen sich Meisterwerke dadurch aus, dass sie turbulente Zeiten überdauert haben und sich überall auf der Welt bewähren. Möbel, die gewöhnlich erscheinen, aber bei näherer Betrachtung zeigen, dass die Gedanken des Schöpfers und die Funktionalität gut ausbalanciert sind. Damit will ich aber nicht sagen, dass die Möbel der jüngeren Generation nicht manchmal genauso gut funktionieren können.

 

Zoneneinteilung ohne Grenzen

Der Umzug des Wilkhahn Japan Showrooms war entschiedene Sache, als Pläne für den Umbau des alten Gebäudes bekannt wurden. Wie ging es dann weiter?

Wir wurden erstmals im Frühsommer 2023 kontaktiert. Es handelte sich um ein kurzfristiges Projekt, das bereits im Hochsommer anlief. Planer fragen in der Regel: „Wie viele Mitarbeiter haben Sie und wie viele Räume brauchen Sie?“ Aber die neue Immobilie stand bereits fest. Ich habe das Wilkhahn-Team gebeten, diesen sechsmonatigen Planungszeitraum als „Gebrauchsanweisung“ für ihre Räume zu betrachten und sie eingeladen, über die verschiedenen Raumkonzepte nachzudenken und zu diskutieren.

Sobald die betroffenen Personen das Projekt als persönlich relevant wahrnehmen, erkennen sie die gestalterischen Herausforderungen und beginnen, bei der Arbeit sowohl die Perspektive der Besucher als auch ihre eigene einzunehmen.

Daraufhin haben wir beschlossen, dass wir durch die Aufteilung des Raums in Zonen und die Platzierung von großen und kleinen Boxen ganz einfach Szenen nachstellen können, die in jedem Büro vorkommen.

Es ist auf jeden Fall ein luxuriöses Büro für nur 20 Mitarbeitende. Das erlaubt, den Arbeitsort mehrmals am Tag zu wechseln. Auch die zeitlich begrenzte Vermietung an andere Personen oder die Öffnung des Raums für Mitarbeitende anderer Unternehmen, scheinen großartige Nutzungsmöglichkeiten für den neuen Showroom zu sein.

© Lemmart

Weniger ist mehr

Abgesehen von der Zoneneinteilung, was zeichnet den neuen Showroom aus?

Es gibt keine wirkliche Grenze zwischen dem Ausstellungsraum und dem Büro. Es ist ein wenig wie in einem Park, in dem öffentliche und private “Räume” ineinander übergehen. Die offenen und halbgeschlossenen Bereiche können durch Vorhänge abgetrennt werden.

Dafür habe ich mich für Stoffe von Kvadrat entschieden, weil ich fand, dass sie gut zu den Stühlen von Wilkhahn passen. Anstelle von Verdunkelungsvorhängen bevorzuge ich lichtdurchlässige Vorhänge, die aber dennoch eine gewisse Privatsphäre bieten.

Woher nehmen Sie Ihre Inspiration?

Ich werde oft als „Minimalist“ bezeichnet, aber wenn überhaupt, dann will ich nur keine unnötigen Dinge hinzufügen, anstatt Dinge wegzunehmen.

Inspiriert wurde ich von der deutschen Architektur der Moderne, die auf einer ähnlichen Philosophie beruht. Insbesondere die Villa Tugendhat in der Tschechischen Republik (1930 von Ludwig Mies van der Rohe entworfen) habe ich mehrmals besucht, sowohl vor als auch nach ihrer Renovierung. 2001 wurde die Villa in die UNESCO Weltkulturerbe-Liste aufgenommen.

Die Villa Tugendhat hat ein einfaches Erscheinungsbild, das sie wie einen schlichten Glaskasten erscheinen lässt. Doch gerade wegen ihrer unkomplizierten Bauweise ist sie vielseitig nutzbar und hat trotz turbulenter Zeiten bis heute überlebt.

„Weniger ist mehr“ ist eine weit verbreitete Redewendung, aber die Villa Tugendhat betont die ‚Kraft des Weniger‘, was sich auf das Konzept des neuen Wilkhahn Showrooms übertragen lässt. Das geradlinige Design bietet eine große Flexibilität, die auch zukünftigen Anforderungen standhält.

Mit jedem Jahr wächst das Bewusstsein dafür, dass ein Raum nicht mit unnötigen Dingen vollgestellt werden sollte. Ich denke, der Mensch wird auch in der kommenden Zeit im Mittelpunkt der Ausstellungsräume stehen. Solange es Möbel und Menschen gibt, wird dieser Raum nicht vergehen.

Araki wurde 1967 in Kumamoto, Japan, geboren und schloss sein Architekturstudium am Nishinippon Institute of Technology ab. Nachdem er für Toyokawa Architects and Associates gearbeitet hatte, gründete er 1997 The Archetype. © Teppei Tanimoto

© Lemmart

Weitere Informationen

The Archetype

Villa Tugendhat

Interview und Text: Hirokuni Kanki

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