
Politische Räume sind weit mehr als funktionale Orte für Debatten, Abstimmungen und Pressekonferenzen. Sie sind gebaute Demokratie – sicht- und erlebbare Ausdrucksformen unseres politischen Selbstverständnisses. In ihnen manifestieren sich nicht nur Machtverhältnisse oder Institutionen, sondern auch Werte: Offenheit, Transparenz, Nachhaltigkeit, Teilhabe.
Wie tief Räume unser demokratisches Miteinander prägen, verdeutlichte schon Winston Churchill mit seinem berühmten Satz:
„We shape our buildings, and afterwards our buildings shape us.“
Als er den originalgetreuen Wiederaufbau des im Zweiten Weltkrieg zerstörten britischen Parlamentsgebäudes „House of Commons“ forderte, ging es ihm nicht nur um Architektur – sondern um ein Symbol für politische Kultur und Vertrauen.
In einer Zeit, in der demokratische Prozesse unter Druck stehen und das Vertrauen in Institutionen zunehmend herausgefordert wird, gewinnt auch das Interior Design politischer Gebäude neue Bedeutung. Denn: Gestaltung wirkt. Sie kann Nähe schaffen oder Distanz erzeugen, Dialog fördern oder verhindern, Zukunft öffnen oder Geschichte konservieren.
Anhand aktueller Beispiele – darunter der Brüsseler Verwaltungskomplex Brucity, der Barocksaal des Tiroler Landtags und der Landtag Schleswig-Holstein – zeigt sich, wie modernes Interior Design politische Räume nicht nur funktional erneuert, sondern auch inhaltlich auflädt.
Tradition trifft Moderne: Der Barocksaal des Tiroler Landtags
Viele Parlamente residieren in historischen Gebäuden – mit allem, was dazugehört: beeindruckende Säle, denkmalgeschützte Elemente, architektonisches Pathos. Doch gleichzeitig müssen diese Räume heutigen Anforderungen genügen – technisch, ergonomisch und sozial.
Im barocken Sitzungsaal des Tiroler Landtags ist genau diese Verbindung gelungen. Der traditionsreiche Saal wurde mit modernen Möbeln und Sitzungstechnik ausgestattet, die bewusst in den Dialog mit der historischen Substanz treten.
Der von Justus Kolberg entworfene Konferenzsessel Sola fügt sich harmonisch in die barocke Pracht ein und bietet zeitgleich einen prägnanten Kontrast durch seine moderne Gestaltung. Zudem wurde der Raum mit einer ovalen Tischanlage ausgestattet, die eine gleichwertige Sitzordnung der Parteien gewährleistet.
So entsteht ein Spannungsverhältnis, das im Raum erlebbar wird: zwischen Repräsentation und Pragmatismus, zwischen Erbe und Erneuerung.
Ein Beispiel dafür, wie Design politische Räume nicht nur „verschönern“, sondern bewusst mit ihrer Geschichte in Beziehung setzen kann.
Transparenz gestalten: Brucity als Raum für Gemeinschaft
Ganz anders die Ausgangslage im Brüsseler Verwaltungszentrum Brucity: Hier wurde ein komplett neues Gebäude geschaffen – mit dem klaren Ziel, Demokratie räumlich greifbar zu machen. Der Fokus liegt auf Zugänglichkeit, Transparenz und Identifikation.
Offene Grundrisse, viel Glas, natürliche Materialien und eine intuitive Wegeführung sorgen dafür, dass Bürger:innen sich zurechtfinden und willkommen fühlen. Flexible Möblierung und multifunktionale Zonen fördern Austausch, Zusammenarbeit und Teilhabe. So wird das Gebäude nicht nur zum Ort der Verwaltung, sondern zum sozialen Begegnungsraum – ein Symbol für eine Politik, die auf Augenhöhe kommuniziert.
Auch hier spielen Möbel von Wilkhahn eine zentrale Rolle: In den offenen Büroetagen unterstützen AT Bürostühle Beweglichkeit und Dialog. Im Ratssaal ermöglichen flexible Versa-Tische (Design: Wolfgang C.R.Mezger) und mobile Intra-Sessel (Design: PHOENIX DESIGN) unterschiedliche Nutzungsmodi und unterstreichen mit ihrer Formensprache den Anspruch auf Offenheit.
Wenn der Ratssaal mit einer Mengenbestuhlung möbliert werden muss, werden die Versa-Tische und die Intra-Sessel entfernt und durch Aline-Stühle (Design: Andreas Störiko) ersetzt. Der kompakt stapelbare Kufenstuhl sorgt zudem durch die elastische Konstruktion für ein entspanntes und komfortables Sitzgefühl.
Wertebewusstsein im Detail: Der Landtag Schleswig-Holstein
Noch eindrücklicher zeigt sich das Zusammenspiel von Haltung, Nachhaltigkeit und Symbolik im Landtag Schleswig-Holstein. Nach über 20 Jahren im Einsatz wurden die bisherigen Modus-Stühle ausgetauscht – sie entsprachen nicht mehr dem gewünschten repräsentativen Anspruch. Die Entscheidung für neue Stühle war dabei nicht nur funktional motiviert, sondern auch gestalterisch bewusst getroffen.
Ein besonderes Detail fällt sofort ins Auge: Die neuen Intra Konferenzsessel tragen das gestickte Landeswappen in der Rückenlehne. Was auf den ersten Blick als dekoratives Element erscheint, ist in Wahrheit ein tiefes Symbol politischer Identifikation: Hier wird nicht nur debattiert – hier wird Verantwortung getragen.
Gleichzeitig wurde ein Zeichen für nachhaltiges Handeln gesetzt: Die zuvor genutzten Modus-Stühle, die über 20 Jahre im Einsatz waren, wurden in einem umfassenden Refurbishment-Prozess aufgearbeitet. Mechanik, Polster, Bezüge – alles wurde geprüft, ersetzt oder erneuert. Weiterverwenden statt Wegwerfen - ein starkes Statement für verantwortungsvolles Gestalten.
Gestaltung ist Haltung
Ob Neubau oder Bestand, historisch oder zeitgenössisch: Interior Design in politischen Gebäuden ist nie rein funktional. Es ist Ausdruck von Haltung – und Entscheidungsträger:innen, Architekt:innen sowie Gestaltende tragen dabei eine gemeinsame Verantwortung.
Räume können Nähe schaffen, Werte transportieren, Vertrauen stärken. Und das beginnt im Kleinen – bei der Möblierung, bei der Materialwahl und bei der Frage: Wie können Räume Offenheit, Teilhabe und Nachhaltigkeit fördern?
Denn wer heute politische Räume gestaltet, stellt auch Weichen für das politische Klima von morgen.
Weitere Einblicke
Erfahre mehr über unsere Projekte in politischen und öffentlichen Gebäuden – und wie Gestaltung zur gelebten Demokratie beiträgt.
Share