Warum tun sich nach Ihrer Erfahrung sogar Krankenversicherungen schwer, Konzepte für mehr Bewegungsförderung in ihren eigenen Büros umzusetzen? Wen muss man zusammenbringen und gewinnen, um den fälligen Paradigmenwechsel zu erreichen?
Oft ist es doch so: Vor seiner eigenen Haustür kehrt man am wenigsten. Und so ist es auch bei den Krankenkassen. Sie haben die betriebliche Gesundheitsförderung zwar für sich entdeckt. Aber nicht als eigenen Leitfaden, sondern als Marketingkonzept. Die inhaltliche Bedeutung wird von den Krankenkassen weit unterschätzt. So wird dann die eigene Idee nicht gelebt.
Um die zweite Frage zu beantworten: Bewegung und körperliche Aktivität gehören in alle gesellschaftlichen Bereiche. Deshalb kann man derartige Veränderungen nur dann erreichen, wenn alle Player daran teilhaben. Es muss klare, eindeutige Vorbilder geben und die dürfen eben nicht aus dem Spitzensport kommen. Außerdem denke ich, dass Arbeitskreise notwendig sind, die über Ministeriumsgrenzen hinausgehen, um eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Bei der Finanzierung sollten Steuergelder herangezogen werden und nicht nur die Mittel der Krankenkassen. Zu guter Letzt halte ich eine große Kampagne, vergleichbar mit der AIDS-Kampagne, für sehr wichtig. So wird eine neue Kommunikationsstrategie geschaffen.
Großer Wurf oder kleine Schritte – was macht aus Ihrer Sicht mehr Sinn, um Verhaltensänderungen herbeizuführen? Welche Rolle könnten dabei Einrichtung, Organisation und Gebäude spielen?
Das ist gar kein Widerspruch! Kleine und große Schritte können durchaus nebeneinander existieren. Viele kleine gibt es auch bereits. Was uns momentan noch fehlt, ist die Verknüpfung dazwischen. Es müssen eine übergreifende Strategie und ein Konzept entstehen. Dabei spielen das Setting Arbeit, das Setting Wohnen und das Setting Leben eine wichtige Rolle. Ich habe eines gelernt: Man muss die Bewegung zu den Menschen bringen und sie genau dort abholen, wo sie sich befinden.
Zum Schluss: Woran arbeiten Sie im Moment? Was sind Ihre Ziele?
In den letzten Jahren meiner Forschungstätigkeit beschäftige ich mich mit der Minimalaktivität. Also wie wenig muss es sein, damit das Grundbedürfnis an Bewegung abgedeckt ist? Über Trainingssteuerung weiß ich jetzt hoffentlich alles. Die Erforschung der Minimalaktivität ist jetzt mein Ziel. Dabei geht es darum, dass wir den Menschen irgendwann sagen, wie viel und vielleicht auch wann im Tagesverlauf sie sich bewegen müssen. Und das wird recht wenig für mich, für die meisten aber schon recht viel sein. Ich hoffe, dass ich bei Eintritt in mein Rentenalter auf diese Frage eine Antwort weiß.