Sie bestehen aus auf Kisten geschraubten Sitzschalen, durch Backsteine gestützten Polstern oder werden durch Schnüre zusammengehalten: Überreste von Stühlen, die durch die kreative Improvisation ihrer Besitzer zu neuem Leben erweckt wurden. Vor allem in China und Hong Kong, der Wahlheimat von Michael Wolf, hat er diese pragmatischen Beispiele von Weiter- und Wiederverwendung auf Bürgersteigen gefunden und fotografiert.
Die Bilder sind ein Teil der Retrospektive des ehemaligen „Stern“-Fotografen, der mit seinen Projekten inzwischen zu den führenden zeitgenössischen Fotokünstlern zählt. Die Werkschau ist noch bis zum 27. August 2017 im Rahmen des Kunstfestivals Rencontres d’Arles zu sehen. Als Ausstellungsort wählte er die Église des Frères Prêcheurs, eine einstige Dominikanerkirche, die heute für Kulturveranstaltungen genutzt wird. Der gotische Bau von 1499 steht als Ort der Stille und Einkehr in einem spannenden Kontrast zu Michael Wolfs Werken. Denn das Thema seiner Ausstellung ist das Leben in der Großstadt.
Ein Kernstück ist die Installation „The Real Toy Story“. Sie zeigt mehr als 20.000 Plastikspielzeuge, die Wolf auf Märkten und in Second Hand-Läden in den USA gesammelt hatte. Dazwischen hängen Portraits chinesischer Arbeiterinnen, die in Chinas Fabriken den billigen Plastikramsch herstellen. Aber auch Michael Wolfs bekannte Werke aus der Serie „Architecture of Density“ sind in Arles zu sehen, eindrückliche Nahaufnahmen der gigantischen Wohnblöcke, in denen die Menschen in asiatischen Megacitys auf engstem Raum zusammenleben. Und nicht zuletzt vermittelt die Serie „Tokyo Compression“ wie die Würde des Individuums in der Massenmobilität untergeht.
Wilkhahn förderte im Jahr 2003 die erste Europa-Ausstellung von Michael Wolf im Museum August Kestner in Hannover und ist dem mittlerweile weltbekannten Fotokünstler seitdem freundschaftlich verbunden.
Wer die Ausstellung in Arles verpasst, kann „Life in Cities“ auch ab Januar 2018 im Fotomuseum Den Haag sehen.
Einen ausführlichen Artikel über Michael Wolf und seine Werkschau hat das Kulturmagazin „Perlentaucher“ veröffentlicht: www.perlentaucher.de