Auf Konferenzsesseln werden häufig die wichtigsten und wegweisendsten Entscheidungen für ein Unternehmen getroffen. Auch wenn die Gestaltung der Stühle moderner geworden ist und die Materialvielfalt längst über schwarze Lederbezüge und Chromgestelle hinausgeht, hat sich eines nicht verändert: In der Regel sind es Männer, die hier Platz nehmen, um zu beraten und zu beschließen. Dass Frauen auf Führungsebene noch immer stark unterrepräsentiert sind, hat aber weniger mit dem stereotypen „Chefsessel“ zu tun als mit der Tatsache, dass alte Strukturen nicht konsequent weiterentwickelt werden.
Das Design des Konferenzsessels Intra steht dieser gesellschaftlichen Realität entgegen. PHOENIX übersetzte das Konzept eines hochwertigen Konferenzsessels von einer traditionellen und prestigeträchtigen in eine moderne und dynamische Formsprache. Intra wurde mit Blick auf den:die Benutzer:in entwickelt und verfügt deshalb über einen innovativen Mechanismus, der die Sitzfläche und Neigung der Rückenlehne synchron an die Bewegungen anpasst und so automatisch das individuelle Gewicht und die Körperhaltung berücksichtigt. Damit verkörpert Intra ein modernes Verständnis von Führungskultur, in dem alle gleichermaßen Platz finden.
Alina Schnizler ist Designerin bei Wilkhahn und beschäftigt sich mit eben diesen Fragen des Produktdesigns. Wir haben sie gefragt, was ihr bei der Entwicklung von Produkten wichtig ist und wie sie ihrer kreativen Identität inmitten zahlreicher männlicher Kollegen Geltung verschafft. Every seat holds a story worth sharing …
Frau Schnizler, inwiefern hat sich Ihre persönliche Entwicklung als Frau auf Ihre Arbeit als Designerin ausgewirkt?
Meine persönliche Entwicklung und die Themen, die mich im Design beschäftigen, sind schon immer eng verknüpft. Während ich im Studium die Unterschiede zwischen den Geschlechtern kaum wahrgenommen habe, fielen mir im Praxissemester erstmals Unterschiede in der Arbeitsweise auf. Die Frage der Gleichberechtigung und stereotypischen Gestaltung beschäftigte mich gedanklich so sehr, dass ich ihr meine Bachelorarbeit widmete.
Ich finde, eines der schönen Dinge am Frausein ist, dass mit jedem Lebensjahr eine Portion Selbstbewusstsein dazukommt. Dies wirkt sich auf meine gesamte Arbeitsweise aus, lässt sich über die Jahre aber am deutlichsten an meinem Umgang mit Farben ablesen.
Sie beschreiben Selbstbewusstsein nicht als endgültigen Zustand, sondern als fortlaufenden Prozess des Lernens und Wachsens. Gibt es Ihrer Meinung nach spezifische Herausforderungen, denen Frauen in der Designbranche gegenüberstehen?
Hella Jongerius sagt in ihrem Buch „I don’t have a favourite colour”, dass sie nicht im Textilbereich arbeiten wollte, um nicht dem Klischee gerecht zu werden, dass Männer Industriedesign studieren und Frauen mit Stoffen arbeiten. Irgendwie ist sie dann aber doch im Textilbereich gelandet – zum Glück!
Ich denke, dass die unterschiedliche Wertung der Teilaufgaben im Design eine der größten Herausforderungen ist. „Hübsch machen“, „nur eine kosmetische Veränderung“ – das sind Formulierungen, die Projekte und Aufgaben degradieren und meist weiblich konnotiert sind. Technisches Design oder Designansätze wie „form follows function“ sind dagegen geprägt von männlichen Vertretern aus der Design- und Architekturbranche und werden unterbewusst immer höher bewertet. Dabei haben die meisten von uns doch heutzutage Design studiert, um Objekte nutzerfreundlich zu machen, ethische und ökologische Fragen einzubinden und natürlich auch, um Dinge „hübsch zu machen“. Ästhetik ist schließlich unser Beruf – sonst hätten wir auch Konstrukteur:innen werden können.
Auf welche Weise können Sie durch Ihre Arbeit dazu beitragen, diese stereotype Darstellung von Frauen zu durchbrechen und ein vielfältigeres Bild zu kreieren?
Ich würde das Ganze gerne andersrum angehen und stereotype Darstellungen von Männern aufbrechen: Das Produkt, das mir da sofort in den Kopf kommt, ist der klassische Chefsessel. Hohe Rückenlehne, dicke Lederpolsterung und Chrom-Glanz. Oft habe ich mich gefragt, wie eigentlich ein Chefin-Sessel aussehen müsste oder ob es nicht generell sinnvoller ist, Produkte für Menschen, anstatt für Positionen zu kreieren.
Der Konferenzsessel Intra ist ein “Stuhl für alle”. Anlässlich des Weltfrauentags haben Wilkhahn und PHOENIX in diesem Jahr Einzelstücke kreiert, die durch ihre unterschiedlichen Farb- und Materialkombinationen eine zeitgemäße Führungskultur verkörpern, in der Frauen einen wesentlichen Platz einnehmen. Welche Variante ist dein Favorit – und warum?
Als ehemalige PHOENIX-Praktikantin hat diese Zusammenarbeit zum Weltfrauentag einen besonderen Stellenwert für mich. Ich finde, dem Team ist es gut gelungen, mit den verschiedenen Designansätzen unterschiedliche Charaktere abzubilden. Von zurückhaltend elegant bis auffällig und vielschichtig. Mein Favorit ist die blaue Intra-Variante. Generell bin ich ein großer Fan von intensiven Farben. Der Blauton, der gewählt wurde, strahlt für mich Ruhe und Stärke zugleich aus und lässt sich super mit anderen intensiven Farben kombinieren.
Stichwort “Zusammenarbeit”: Wie erleben Sie das Arbeitsumfeld bei Wilkhahn in Bezug auf die Gleichstellung der Geschlechter?
Die Büromöbelbranche ist immer noch eine sehr männliche Branche. Deshalb sitze ich auch in vielen Meetings als einzige Frau unter lauter Männern. Umso wichtiger ist dann die Kommunikation auf Augenhöhe. Es gibt bereits viele Studien dazu, dass diverse Teams bessere Ergebnisse erzielen – und davon bin ich auch absolut überzeugt. Wir brauchen unterschiedliche Blickwinkel und Erfahrungen, um Produkte zu gestalten, die für alle Menschen gemacht sind.
Wer sich mit Wilkhahns Designhistorie befasst, wird zahlreiche Männer entdecken. Dabei haben wir auch vielen Frauen entscheidende Impulse zu verdanken: Anne-Katrin Sieferer gehörte beispielsweise zum Design-Team des ersten und revolutionären Trimensions-Stuhls ON. Frauen die gleiche Bühne wie Männern zu bieten, ist ein Grundstein für die Gleichstellung in Unternehmen. Ich würde mir deshalb wünschen, dass es in der Branche zukünftig noch viel mehr weibliche Vorbilder in Führungspositionen gibt. Julia Wilkening-Martin ist bei Wilkhahn ein tolles Beispiel dafür.
Beeinflusst der Stellenwert, den ein Unternehmen der Gleichstellung beimisst, auch maßgeblich die erfolgreiche Entwicklung innovativer und ansprechender Produkte?
In einem Zeitalter von künstlicher Intelligenz und Algorithmen spielt das Bewusstsein für Gleichstellung und Diversität eine größere Rolle denn je. Toll finde ich, welche innovativen Produkte in den letzten Jahren von Frauen für Frauen entwickelt wurden. Der ganze medizinische Sektor bietet ein unfassbares Potenzial für neue Produkte, da sich die Forschung endlich mal stärker mit weiblicher Gesundheit befasst. Gleichstellung sollte in meinen Augen immer so selbstverständlich bei einer Produktentwicklung diskutiert werden, wie Nachhaltigkeit auch.
Haben Sie Beispiele aus ihrer täglichen Arbeit dafür, wie das Mitwirken von Frauen einen wesentlichen Beitrag zum Designprozess leisten kann?
Das sind in unserem Tätigkeitsfeld überwiegend ergonomische Aspekte. Wir testen Sitztiefe, Sitzkomfort und Rückenlehnenkontur, aber auch die Kraft, die für diverse Einstellungen benötigt wird.
Also können auch Büromöbelhersteller wie Wilkhahn mit ihrer Produktgestaltung einen aktiven Beitrag zur Förderung der Gleichstellung leisten?
Da sind wir wieder beim besagten Chefsessel. Wir gestalten mit unseren Möbeln Bürolandschaften und tragen damit auch ein Stück zur Unternehmenskultur bei. Für mich ist die Usability einer der größten Dreh- und Angelpunkte. Wenn ich als Frau eine Pinnwand verschiebe, dann will ich das allein schaffen und nicht auf die Hilfe eines männlichen Kollegen angewiesen sein. Auch die Art und Weise, wie man sitzt, kann eine Rolle spielen. Wenn zum Beispiel die Mechanik eines Konferenzsessels bei kleinen Frauen nicht reagiert, entsteht immer ein ungleiches Sitzen zwischen Mann – lässig – und Frau – angespannt. Die Sitzhöhe ist hier auch ein gutes Beispiel: Wer sich mit baumelnden Beinen in einen Stuhl setzen muss, weil die Sitzhöhe zu hoch ist, fühlt sich automatisch wie ein Kind und dementsprechend nicht gleichgestellt mit allen anderen Anwesenden. Wenn wir uns diese Ungleichheiten vor Augen führen, hilft uns das, neue Produktlösungen zu kreieren.
Welchen Ratschlag möchten Sie Frauen geben, die sich in einem von Männern dominierten Umfeld beruflich behaupten müssen?
Meine wichtigste Lektion als Berufsanfängerin war, lernen, nein zu sagen. Generell finde ich es sehr wichtig, klare Grenzen zu ziehen. Abwertende Sprüche und Kommentare, wenn sie vielleicht auch nur so dahingesagt wurden, haben in der Arbeitswelt absolut nichts verloren – privat natürlich auch nicht. Zudem bin ich der Meinung, dass wir unser breites Potenzial an Emotionen zeigen sollten. Wenn ich wahnsinnig gefrustet bin, dann weine ich auch mal. Das hat absolut nichts mit Schwäche zu tun, sondern mit der Verarbeitung von Emotionen. Manche schreien, andere weinen. Wer mit Leib und Seele seinem Job nachgeht, kann keine Maschine sein.
Am wichtigsten finde ich es, dass Frauen gegenseitig für sich einstehen. Es würde mir niemals in den Sinn kommen, über die Figur oder Kleidung einer Kollegin herzuziehen. Genauso wenig mag ich es, wenn andere Kolleg:innen dies tun. Unterstützt euch gegenseitig!
Und den Männern in männerdominierten Branchen möchte ich gerne mit auf den Weg geben: Traut euch, anders zu sein. Nehmt euch Elternzeit oder arbeitet Teilzeit – Gleichberechtigung ist schließlich für alle da.
Vielen Dank für das inspirierende Gespräch!
Wir haben Ihr Interesse an der Arbeit bei Wilkhahn geweckt?
Der Name Wilkhahn steht für Design, Innovation und Qualität. Ein partnerschaftliches Miteinander und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Gesellschaft und Umwelt sind für uns selbstverständlich. Diese Grundsätze verbinden bei uns Menschen, die aktiv die Zukunft des Unternehmens mitgestalten wollen. In unserer modernen Unternehmensorganisation mit flachen Hierarchien kann sich jeder einzelne mit seinen individuellen Fähigkeiten und seiner ganzen Persönlichkeit einbringen.
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