Brandschutz im Gespräch

01.07.2020

Ulla Basqué ist Innenarchitektin bdia mit Brandschutznachweis, der gemäß Bayerischer Brandschutzordnung auch die Gebäudeklasse 4 umfasst. Mit Basqué Et Partner realisiert sie seit 25 Jahren Projekte im Bereich Büro-, Laden- und Wohnungsbau. Als bdia-Referentin leitet sie regelmäßig Seminare zum Thema Brandschutz. Seit 2019 ist sie Leiterin der Abteilung Innenarchitektur & Design beim Ladenbau-Spezialisten Aichinger.

 

Frau Basqué, die Rolle des Büros muss heute komplexeren Anforderungen gerecht werden als das klassische Büro aus dem letzten Jahrhundert. Wie bewerten Sie als Innenarchitektin diesen Trend?

Die neue multilokale Arbeitswelt ist deutlich unabhängiger von festen Orten, Zeiten und Aufgaben und hat damit auch die Bürokonzepte verändert: In vielen Unternehmen arbeiten wechselnde Projektteams, die sich aus unterschiedlichen Abteilungen zusammensetzen. Dies macht eine Flexibilität von Räumen und Infrastruktur für agiles Arbeiten notwendig. Das Fraunhofer Institut hat schon vor einigen Jahren herausgefunden, dass Innovationen vor allem in den Unternehmen selbst entstehen. In vielen Fällen reicht schon der Wechsel zwischen Anspannung, also dem konzentrierten Arbeiten, und Entspannung, z. B. im informellen Gespräch, um neue Ideen und Verhaltensweisen zu triggern. Räume müssen also entsprechend flexibel nutzbar sein. So präsentieren sich offene Bürolandschaften heute mit mobilen Arbeitsplätzen und Lounge- oder Sportbereichen, in denen Mitarbeiter zwischen Kaffee und Arbeit zusammenkommen, um auch einmal um die Ecke zu denken.

Sparkasse LeerWittmund: vielfältige Raumangebote für die Büroarbeit mit IN-Bürostuhl. Ellwanger Chabert Architekten und ellwanger menzel architekten ingenieure. Foto: Werner Huthmacher

Welche Veränderungen ergeben sich dadurch für die Planung der Inneneinrichtung?

Lässige Lounge-Möbel, offene Teeküchen, textile Raumteiler und Akustikpaneele – die Bürolandschaften von heute bieten Flexibilität in der Nutzung und hohen Komfort. Der Trend zum Open Space hat sich bereits vor einigen Jahren abgezeichnet, allerdings aus einer anderen Motivation: Als Teil der effizienteren Flächennutzung werden Wegezonen und Erschließungsflächen nun gerne für Besprechungen oder eine Teeküche neben dem Drucker oder Kopierer genutzt. Diese neue Offenheit benötigt allerdings neben einer sehr guten Akustik auch die besondere Aufmerksamkeit des vorbeugenden Brandschutzes.

Firma Wortmann in Detmold: offene und vielseitige Bürolandschaft im Loft mit IN-Bürostühlen, Stand-Up-Hockern und Stitz- Stehhilfen. Architekt Andre Rhode. Foto: Wortmann

Welche Herausforderungen ergeben sich denn hier für den Brandschutz?

Grundlegend für die Planung ist immer eine differenzierte Betrachtung, die mit der Gebäudeklasse beginnt. Die Einteilung der Klassen richtet sich nach der Art, der Höhe und der Fläche des Gebäudes. Und hier gilt grundsätzlich: je höher die Gebäudeklasse, desto strenger die Anforderungen. Besonderes Augenmerk liegt dabei immer auf den Verkehrswegen, die meist auch zu den Flucht- und Rettungswegen gehören. Wichtig ist, dass die im Brandschutzgutachten festgelegte Breite der Fluchtwege unverstellt bleibt. In Gebäuden der Gebäudeklassen 4 und 5 sowie in Sonderbauten sind in den Flucht- und Rettungswegen die Möbel sogar am Boden zu befestigen. Bei einer Brandentstehung könnten andernfalls die Möbel bewegt werden und würden die Breite der Fluchtwege einschränken oder sogar verstellen. Eine differenzierte Risikoanalyse kann jedoch auch dazu führen, dass im Rahmen einer schutzzielorientierten Betrachtung Brandlasten in Rettungswegen im Einzelfall und in begrenztem Umfang zugelassen werden können.

Open Work Space der HRS Group im Headquarter Köln mit IN-Bürostühlen. Innenarchitektur Lepel & Lepel. Foto: HGEsch

Welchen Beitrag können Möbel denn grundsätzlich für den Brandschutz leisten?

Gegenwärtig sind im nationalen Bereich die Anforderungen an Polsterverbunde in der DIN 66084 genormt. In dieser Norm erfolgt eine Einstufung bzw. Klassifizierung auf Grundlage der Ergebnisse der Prüfverfahren nach DIN EN 1021 Teil 1, Fall „brennendes Streichholz“, und Teil 2, das ist die „glimmende Zigarette“, sowie nach DIN 54341 mit der „brennenden Zeitung“. Darüber hinausgehende brandschutztechnische Qualitäten weisen beispielsweise Polsterverbunde auf, die nach dem britischen Standard BS 5852 mit einem Holzkrippenbrand erfolgreich geprüft wurden. Wichtig ist hierbei eine Prüfung des jeweiligen Gesamtsystems und nicht nur der einzelnen Komponenten wie etwa des Bezugsstoffs. In der Regel weisen Polstermöbel mit verbessertem Brandverhalten Brandbarrieren zwischen Schaumstoff und Bezugsstoff in Form eines nicht brennbaren Spezialvlieses auf.

 

Was raten Sie Planern bei der Auswahl der Möbel?

Auch wenn Ausschreibungen auf die Klassifizierung von Baustoffen und nicht von Möbeln Bezug nehmen: Man ist immer gut beraten, auf die Angaben des Herstellers zu achten. Aus welchen Materialien bestehen Gestell, Bezug und Polsterung? Erfüllen die Werkstoffe bereits werkseitig notwendige Anforderungen? Möbel können einen wichtigen Beitrag zum präventiven Brandschutz leisten, wenn ein Polstermöbel beispielsweise selbstverlöschend ist. Das ist zwar per Norm nicht vorgeschrieben, aber im Brandfall eine gute Voraussetzung, um gerade in viel frequentierten und offenen Raumlandschaften Leben zu retten.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

Zur Website von Basqué Et Partner.

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